fri./tom. «Mir sind die Haare zu Berg gestanden», sagte Peter Rüegger, Chef des Kommissariats Ermittlungen der Stadtpolizei Zürich, am Donnerstagabend vor Medienvertretern. Die Missbräuche, wie sie ein 13-jähriges Mädchen geschildert hat und in groben Zügen auch die festgenommenen mutmasslichen Täter bestätigt haben, bezeichnete er als «massiv». Dreizehn Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren haben bei mindestens drei Treffen in Zürich Oerlikon das Mädchen mehrfach vergewaltigt. Der letzte Vorfall ereignete sich dieses Wochenende im Beisein des 15-jährigen Freundes des Mädchens in der Wohnung eines 18-jährigen Kollegen, der bei seinen Eltern wohnt. Zur Tatzeit waren die Eltern nicht anwesend. Die übrigen Übergriffe haben laut Polizei in den vergangenen Wochen zum Teil mehrmals am Tag jeweils an verschiedenen Orten stattgefunden, wobei es zu mindestens einer Vergewaltigung auch im Freien kam.
Aus Schulhaus abgeführt
Am Montag kursierten laut Rüegger im Schulhaus Buhnrain in Seebach Gerüchte über die Vergewaltigung vom Wochenende. Eine Freundin, der das Mädchen von den Vergewaltigungen erzählt hatte, wandte sich schliesslich an die Sozialarbeiterin des Schulhauses. Diese meldete den Fall dem Schul- und Sportdepartement, das seinerseits die Stadtpolizei Zürich in Kenntnis setzte. Am Mittwoch haben die Spezialisten der Fachgruppe Kinderschutz der Stadtpolizei das Mädchen befragt und dabei das Gespräch auf Video aufgezeichnet. Das Mädchen nannte die Namen von fünf Tätern. Davon waren laut Rüegger vier bereits wegen anderer Delikte, unter anderem wegen Raubs, der Jugendanwaltschaft bekannt. Während der Ermittlungen und Einvernahmen stiess die Polizei auf die anderen beteiligten Verdächtigen und nahm sie am Donnerstagmorgen fest. Einige davon wurden aus der Schule abgeführt. Vier gehen im Schulhaus Buhnrain zur Schule, aber in eine andere Klasse. Da das Mädchen nur die Vornamen nannte, ist ein Jugendlicher fälschlicherweise festgenommen worden. Er sollte am Donnerstagabend wieder entlassen werden. Nach dem dreizehnten Täter wurde gefahndet.
Alle dreizehn Täter wohnen in der Stadt Zürich. Sechs sind Schweizer, zwei stammen aus dem früheren Serbien-Montenegro, zwei aus Mazedonien, einer aus Italien, einer aus der Dominikanischen Republik und einer aus Bosnien-Herzegowina. Das Mädchen ist Schweizerin, ihr 15-jähriger Freund, der laut Polizei bei den Übergriffen eine zentrale Rolle gespielt hat, stammt aus Mazedonien. Vier Täter sind 15 Jahre alt, fünf sind 16, drei sind 17 und einer ist 18 Jahre alt.
Übergriffe mit Handys gefilmt
Die Täter haben einige der Übergriffe teilweise mit ihren Handys gefilmt. Drei Handys hat die Stadtpolizei sichergestellt. Darauf sind Videos gefunden worden. Ob weitere Aufnahmen auf diesen oder anderen Handys bereits gelöscht wurden oder ob solche ins Internet gestellt wurden, war am Abend unklar. Die Stadtpolizei will dies in Befragungen in Erfahrung bringen. Die Jugendlichen kannten sich laut Rüegger aus der Nachbarschaft. Die meisten sind oder waren Schüler des Schulhauses Buhnrain. Wie Rolf Nägeli, Chef der Fachgruppe Kinderschutz der Stadtpolizei, sagte, wechselten sich die Täter bei den Vergewaltigungen ab. Es seien jeweils drei bis acht Täter – zum Teil als Zuschauer – gleichzeitig am Geschehen beteiligt gewesen. Sie hätten das Mädchen aber nicht gleichzeitig missbraucht. Über das Motiv der Täter wollte Rüegger zum Schutz des Opfers keine Auskunft geben. «Die Begründung der Täter ist für mich aber nicht nachvollziehbar», sagte er. Wie sie sich organisiert hatten, ist unklar. Erkenntnisse, dass zwischen den Tätern Geld geflossen wäre, gibt es bis jetzt nicht.
Die Übergriffe haben laut Vera Lang Temperlin, Präsidentin der Kreisschulpflege Glatttal, nicht in der Schule stattgefunden. Es sei daher kein Problem dieses Schulhauses, sondern ein gesellschaftliches Problem. Die Lehrer wurden am Donnerstag informiert, den Eltern wurde ein Brief geschrieben. Das Opfer wird an einem geschützten Ort betreut. Zur Bewältigung der Ereignisse stellt die Kreisschulpflege Glatttal Spezialisten der Fachstelle für Gewaltprävention zur Verfügung. Wo die Beteiligten weiter zur Schule gehen werden, wird unter spezieller Berücksichtigung der Situation des Opfers intensiv geprüft.
Als «sehr happig» bezeichnete Regula Schwager von Castagna, der Beratungsstelle für sexuell ausgebeutete Kinder, den Fall. Seit mehreren Jahren stellt sie fest, dass vermehrt Gruppen von Tätern ein oder mehrere Opfer sexuell misshandeln. Dabei gehe es nur sekundär um sexuelle Lust. Primärer Antrieb sei Machtausübung. «Jemanden zu demütigen, löst bei diesen Jugendlichen ein Gefühl der Stärke aus», sagt die Psychologin. Warum sich ein Mensch auf diese Art bestätigen müsse, habe vielerlei Ursachen. Familiäre, schulische oder psychische Probleme spielten ebenso mit wie gesellschaftliche Faktoren.