KINDESMISSBRAUCH

35 Jahre Haft für Lostprophets-Sänger Ian Watkins

Anzeige Der Angeklagte betrat den Gerichtssaal im grauen Anzug, die grau gewordenen Haare stylish hochgebürstet. Draußen versuchten Reporter und Kamerateams verzweifelt, einen Blick auf Ian Watkins zu erhaschen. Der Presserummel in Cardiff dürfte Watkins an bessere Zeiten erinnert haben – damals. Als er noch der umjubelte Frontstar der walisischen Rockband The Lostprophets war. Die 1997 gegründete Band, die laut dem „Guardian“ mehr als 3,5 Millionen CDs verkauft hat, gibt es nicht mehr. Sie hat sich aufgelöst, nur wenige Wochen nachdem Anklage gegen ihren Frontmann ergangen war, wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen in gleich mehreren Fällen. An diesem Mittwoch hat der mittlerweile 36-Jährige erfahren, wie hoch die Gefängnisstrafe wegen dieser Vergehen ist: 29 Jahre Haft lautete das Urteil, dazu kommen sechs weitere Jahre unter „extended licence“, wie der britische „Mirror“ schreibt. In dieser Zeit könnte Watkins wieder auf freiem Fuß sein, allerdings nur unter strengen Auflagen und mit einer elektronischen Fußfessel. Ian Watkins wäre 71 Jahre alt, wenn er die Strafe voll absitzen würde. Ein Gnadengesuch kann er erst nach dem Abbüßen von zwei Dritteln dieser Strafe stellen, heißt es weiter. Dass Watkins ins Gefängnis musste, war von Beginn an klar. Er selbst hatte sich schuldig bekannt, und 13 Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern im Alter von unter 13 Jahren eingeräumt. Anzeige „Etwas Schlimmeres ist kaum vorstellbar“, so der Richter über die Taten des Angeklagten. In seiner Urteilsbegründung sagte er auch, dass Watkins eine „signifikantes Risiko“ für die Öffentlichkeit darstelle, und sich im Laufe des Prozesses fast „komplett frei von Reue“ präsentiert habe. Mit ihm auf der Anklagebank saßen zwei weibliche Fans, die dem Sänger sogar ihre eigenen Kinder zum Sex angeboten hatten. In mindestens einem Fall, bei einem noch nicht mal ein Jahr alten Baby, sei der Missbrauch auch vollzogen worden. Davon existiert ein Video, aber nicht nur davon. „Schockierend und grausam“ Das Material – massenweise Fotos und Videos, die im Internet, aber auch auf digitalen Endgeräten des Sängers gefunden wurden – galt als so belastend, dass den Geschworenen, die in dem Fall miturteilten, psychologische Begleitung angeboten wurde, für den Fall, dass sie es sichten mussten. Zumindest das ist ihnen durch das frühe Geständnis des Angeklagten erspart geblieben. Anzeige Die Ermittlungsbehörden bezeichneten Watkins bei der Verhandlung als „entschlossenen, leidenschaftlichen Pädophilen“, der sogar vor Übergriffen auf Babys nicht zurückschreckte. Ein Beamter der walisischen Polizei ließ sich mit dem Satz zitieren, dass im Falle Watkins „der schockierendste und grausamste Fall von Kindesmissbrauch“ aufgedeckt worden sei, den er in seinem gesamten Berufsleben gesehen habe. Auch an diesem dem Tag der offiziellen Urteilsverkündung, wurden erneut zahlreiche Geschmacklosig- und Grausamkeiten offenbar. Gleichzeitig war das Interesse an dem Fall in Großbritannien so groß, dass britische Zeitungen über die Urteilsverkündung per Live-Ticker aus dem Gerichtssaal berichten. Sonderlich reuig wirkte Watkins ihren Berichten zufolge nicht. Den „Kopf weggeballert“ Unter anderem ist beim „Mirror“ zu erfahren, dass Watkins in Telefongesprächen mit einer Bekannten aus der Untersuchungshaft heraus bereits eine Erklärung mit dem folgenden Wortlaut für den Tag seiner Verurteilung angekündigt hatte: „All das war megalustig (im Original: megalolz), ich weiß gar nicht, warum sich alle so aufregen.“ Das Kürzel „megalolz“ dürfte insbesondere den Lostprophets-Fans bekannt vorkommen – die Band verkaufte auch T-Shirts mit dem Aufdruck. Anzeige Weitere Zitate aus dem Gespräch, das von den Ermittlern abgehört und nun vor Gericht öffentlich gemacht wurde, sind, dass er, Watkins, eben „eine Menge sinnloses Zeug“ geschrieben und gechattet habe, zu einer Zeit, in der er sich den „Kopf weggeballert“ habe – unter anderem habe er seit 2009 Ecstasy, Heroin und Chrystal Meth konsumiert. „Ich bin kein Pädophiler, wirklich nicht“, sagte Watkins seiner Freundin am Telefon weiter. Und: Er habe die ihm zugeschriebenen Taten aus den Jahren 2012 und 2013 nur gestanden, um ein längeres Gerichtsverfahren zu vermeiden. „Niemand“, so Watkins in dem Gespräch weiter, „sei verletzt worden“, es gebe auch keine „medizinischen Beweise“ über den Missbrauch. Nach Verlesen dieser Passagen wurde Watkins dann nach Angaben des „Mirror“ vom Richter gefragt, ob er sein Statement denn noch immer so formulieren würde. Darauf antwortete er: „Nein. Ich würde jetzt nur noch sagen, dass es lustig war“. (“lols“ statt „megalols“ im englischen Original). Was Watkins selbst „unerklärlich“ ist Die Anwälte des Sängers, dessen Platten in seiner britischen Heimat mehrfach in den Top Ten der Charts standen, beriefen sich in ihren Verteidigungsreden auch auf die Fans, die den Künstler mit sexuellen Offerten „24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche“ förmlich bombardiert hätten. Auch andere Prominente seien in solchen Situationen schon schwach geworden, so Anwältin Sally O’Neill. Da Watkins zu dem Zeitpunkt drogenabhängig gewesen sei, habe er einfach nicht die Kraft gehabt, der Versuchung zu widerstehen. Der Rückblick auf seine Taten „schockiere“ ihren Mandanten aber nun, behauptete O’Neill, auch in Hinsicht auf das wenig reuige Telefonat ihres Mandanten. Insbesondere das Video, das ihn beim sexuellen Missbrauch eines Babys zeigt, sei für Watkins im Nachhinein „unerklärlich“. Die bei ihm gefundenen, insgesamt 90 Fotos von Kindern in pornographischen Posen würden ihn ebenfalls mittlerweile „abstoßen“. „All dies tut ihm sehr leid“, so das Fazit von Frau O’Neill, die auch darauf verwies, dass Watkins als selbstmordgefährdet gelte und deshalb im Gefängnis alle 15 Minuten kontrolliert werde. Auch die Verteidiger der beiden mitangeklagten Frauen (21 und 24 Jahre alt) machten entlastende Gründe geltend: Sie seien „verwundbare“ junge Frauen gewesen, teils mit psychischen Problemen. Auch in Deutschland wird ermittelt Um die Hörigkeit der Frauen zu verdeutlichen, wurde erneut auf eine SMS-Konversation beider hingewiesen: „Du bist ein großer Star, Du bist Ian Watkins“, schrieb „Frau B“, woraufhin Watkins ihr antwortete: „Das bin ich, und Du und Deine Tochter, ihr gehört mir“. „Frau B“ wurde zu 17 Jahren Gefängnis verurteilt, „Frau A“ zu 14 Jahren. Anzeige Als die Länge der Haftstrafen für den Hauptangeklagten verkündet wurden, gab es laut britischen Zeitungen Jubel im Gerichtssaal. Für die britische Polizei ist der Fall Watkins mit dem heutigen Urteil noch nicht abgeschlossen, meldet die britische BBC. Die Ermittler gehen von weiteren Betroffenen aus. Längst wird nicht mehr nur in Großbritannien nach ihnen gesucht, sondern auch in den USA, in Australien und auch in Deutschland.

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