KINDESMISSBRAUCHVERHAFTETE TÄTERWIEDERHOLUNGSTÄTER

Bekennender Schwuler missbraucht Nachbarsmädchen

«Aber ich bin doch schwul!», ruft der 51-jährige Schweizer entnervt in den Saal, als er sich nach Plädoyers, Replik und Duplik von Staatsanwalt, Geschädigtenvertreterin und Verteidiger noch einmal zu den Vorwürfen gegen ihn äussern darf. Stundenlang war zuvor an diesem tropisch heissen Mittwoch im Juli vor dem Bezirksgericht Bülach darüber verhandelt worden, ob der an einer schmerzhaften Nervenkrankheit und den Folgen eines Unfalls mit Bänderriss leidende Handwerker zwischen Frühling 2013 und Frühling 2016 ein Nachbarsmädchen sexuell missbraucht habe.

Drei- bis viermal wöchentlich besuchte der im Frühling 2000 geborene Teenager den Beschuldigten. Das Kind verfügte über einen eigenen Wohnungsschlüssel, um jederzeit mit dem Hund des Mannes spazieren gehen zu können. Das als jüngstes von sechs Geschwistern geborene Mädchen, dessen Vater die Familie früh verlassen hatte, suchte offenbar einen Vaterersatz und entwickelte eine schwärmerische kindliche Liebe zum Nachbarn. Dieser wiederum konnte sich sehr wohl in die Lage des Mädchens einfühlen; schliesslich war er in zerrütteten Familienverhältnissen aufgewachsen, und seine Mutter hatte sich umgebracht, als er noch im Kindesalter gewesen war.

Die beiden kuschelten sich beim Fernsehen aneinander und schliefen oft auch gemeinsam in einem Bett. Dabei kam es laut Anklageschrift allerdings nicht nur zum Austausch harmloser Zärtlichkeiten, sondern zu intimen Berührungen des Mädchens über und teilweise auch unter der Bekleidung, zu Zungenküssen und in mindestens vier Fällen auch zu oralem Sex, an dessen Ende sich der Beschuldigte jeweils manuell zur Ejakulation bringen liess.

Diese Vorwürfe kamen ans Licht, nachdem das mittlerweile 17-jährige Mädchen einen gleichaltrigen Freund gefunden und sich vom ehemaligen Ersatzvater radikal abgewandt hatte. In der Folge lauerte der an einer psychiatrisch diagnostizierten Persönlichkeitsstörung leidende Beschuldigte der jungen Frau an einem Morgen im März 2017 auf und entriss ihr das Smartphone, das er ihr Monate zuvor geschenkt hatte.

Vom Freund und von der älteren Schwester ermutigt, zeigte das Opfer den Räuber bei der Polizei an. Dort kamen auch die sexuellen Übergriffe ans Licht. Gegen den bereits 2003 nach einem fast endlos langen Verfahren wegen sexueller Handlungen mit Kindern zu einer Freiheitsstrafe verurteilten Mann wurde ein Verfahren eingeleitet. Das Zwangsmassnahmengericht verhängte ein Kontaktverbot für den Beschuldigten, das dieser allerdings nach einigen Tagen brach, als er das Mädchen in einem Bus zur Rede stellte und beschimpfte.

Auch der Staatsanwalt und die Geschädigtenvertreterin räumten ein, dass die Initiative zuweilen durchaus auch von dem offensichtlich verliebten Kind ausgegangen sein könne. Aber gerade wegen der einschlägigen Vorstrafe habe der Mann wissen müssen, dass er sich nicht darauf einlassen dürfe. Diese Vorstrafe war während der ganzen Verhandlung ein zentrales Thema, aber es brauchte den Wutausbruch des Beschuldigten, damit die Prozessbeobachter erfuhren, dass er zwar mehrere Buben, aber keine Mädchen missbraucht hatte.

Das Gericht wertet diese Tatsache nicht als entlastendes Element und verhängt in seinem am Mittwoch mündlich eröffneten Urteil eine 27-monatige Freiheitsstrafe über den Mann. Die Begründung will der Verurteilte gar nicht zur Kenntnis nehmen. Sechs Wochen nach dem Prozess wird er ein weiteres Mal laut. Das Urteil sei seit langem abgekartet, schimpft er und stürmt mit heftigem Türenschlagen aus dem Saal. Der Verteidiger gibt umgehend die Anmeldung der Berufung zu Protokoll.

Urteil DG180025 vom 29. 8. 18; noch nicht rechtskräftig.

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