KINDESMISSBRAUCH

„Colonia Dignidad“-Sektenarzt muss nicht ins Gefängnis

1 2 Minuten Stellungnahme des Opferanwalts : „Colonia Dignidad“-Sektenarzt muss nicht ins Gefängnis Gerichtsurteil: Hartmut Hopp, der ehemalige Arzt der berüchtigten Sektensiedlung, bleibt auf freiem Fuß. Foto: dpa/Oliver Berg DÜSSELDORF Hartmut Hopp, einst Arzt der berüchtigten Sekte „Colonia Dignidad“ in Chile, bleibt ein freier Mann. Der 74-Jährige war in Chile wegen Beihilfe zum Kindesmissbrauch verurteilt worden. Bevor seine Strafe 2011 rechtskräftig wurde, floh er nach Deutschland und ließ sich in Krefeld nieder. Teilen Tweeten Weiterleiten Drucken Weil er als Deutscher nicht nach Chile ausgeliefert werden darf, hatte Chile beantragt, dass er die fünfjährige Haftstrafe in Deutschland verbüßen muss. Doch das im Urteil der chilenischen Justiz dargestellte Verhalten Hopps sei nach deutschem Recht nicht strafbar, teilte das Düsseldorfer Oberlandesgericht am Dienstag überraschend mit (Az.: III-3 AR 158/17). In den chilenischen Urteilsgründen seien keine konkreten Handlungen Hopps genannt, die eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Kindesmissbrauch rechtfertigten. Die Entscheidung sei abschließend, weitere Rechtsmittel gebe es nicht. Damit endet ein jahrelanges juristisches Tauziehen. Staatsanwälte und Richter hatten sich in Nordrhein-Westfalen durch über tausend Seiten an Gerichtsakten aus Chile gearbeitet. Das Landgericht Krefeld hatte das Urteil als vollstreckbar eingestuft: Auch nach deutschen Maßstäben sei Hopp in Chile ein rechtsstaatlicher Prozess gemacht worden. Doch das OLG sah den Vorwurf nicht erwiesen: So sei im Urteil aus Chile nicht festgestellt worden, dass Hopp etwa den Zugriff auf die missbrauchten Kinder ermöglicht oder erleichtert habe. Der Umstand, dass Hopp über Jahre hinweg der Führung der „Colonia Dignidad“ angehörte und damit das System gestützt habe, reiche für eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Kindesmissbrauch nicht aus. Hopp zählte zum Führungskreis um den deutschen „Colonia Dignidad“-Gründer Paul Schäfer. Bekannt wurde die Siedlung, weil dort während der Militärdiktatur unter Augusto Pinochet politische Häftlinge gefoltert und ermordet wurden. Schäfer wurde 2006 wegen Kindesmissbrauchs in Chile zu 20 Jahren Haft verurteilt und starb dort 2010 im Gefängnis. Das Oberlandesgericht stellte nun klar: Hopp habe Schäfer keine Kinder zugeführt. Der Arzt habe die Klinik der Siedlung geleitet und nicht das Internat, in dem die Kinder missbraucht wurden. Die von deutschen Auswanderern gegründete Siedlung, später in Villa Baviera umbenannt, liegt rund 350 Kilometer südlich von Santiago de Chile. Die deutsche Sekte war Anfang der 1960er Jahre aus Siegburg bei Bonn ausgewandert. Hopps Verteidiger Helfried Roubiček reagierte am Dienstag erfreut: Sein Mandant sei unschuldig und habe viele Jahre auf Rechtssicherheit in Deutschland warten müssen, so der Anwalt. Nun sei er endlich rehabilitiert. Das sah ein Gerichtssprecher anders: Hopp bleibe ein nach chilenischem Recht verurteilter Straftäter. Seine Unschuld könne aus dem Düsseldorfer Beschluss nicht abgeleitet werden. Die Entscheidung werde vielen Opfern der „Colonia Dignidad“ sehr weh tun, teilte Grünen-Politikerin Renate Künast mit. „Wir brauchen unverzüglich einen Hilfsfonds mit Zahlungen für die Opfer der Colonia Dignidad und ein Dokumentationszentrum vor Ort in Chile.“ Der Rechtsanwalt der Opfer von „Colonia Dignidad“, Wilfried Hempel, der selbst bis zu seinem 20. Lebensjahr in der Sektensiedlung aufgewachsen war, nannte den OLG-Beschluss einen „schweren Fehler“. Das chilenische Urteil basiere auf 24 000 Aktenseiten, die von der deutschen Justiz nicht beachtet worden seien, noch seien die Betroffenen angehört worden, sagte Hempel der Deutschen Presse-Agentur in Santiago de Chile. „Das (deutsche) Urteil ist eine Einladung an alle Pädophile weltweit, in Deutschland Zuflucht zu suchen“, sagte der Rechtsanwalt. (dpa)

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