brh. Der 41-jährige Angeklagte hatte die meisten seiner Opfer über Inserate gefunden, die er in Filialen von Grossverteilern an die Anschlagbretter hängte oder in einer Gratiszeitung aufgab. Angeblich suchte er nach Schülern, die Kopierarbeiten übernehmen würden. Interessenten, die sich bei ihm meldeten, hatten einen Fragebogen zu ihren Personalien auszufüllen, so dass der Mann über das Alter seiner Opfer bestens im Bilde war. Mit den Schülern, die zu ihm in seine Zürcher Wohnung kamen, spielte er das Kartenspiel «Tschau Sepp», wobei die Schüler Geld bekamen, wenn sie gewannen, der Angeklagte hingegen pro gewonnene Runde einen Wunsch äussern durfte. Der 41-Jährige wünschte sich, die Knaben streicheln zu dürfen, dass sie einzelne Kleidungsstücke auszögen oder auf dem Bett im Schlafzimmer weiterspielten. Einzelne der Knaben zogen nur die Socken und die Uhr aus und mochten weitergehende Wünsche nicht mehr erfüllen, in anderen Fällen kam es zu sexuellen Handlungen.
Hohes Rückfallrisiko
Das Bezirksgericht verurteilte den einschlägig vorbestraften, geständigen Mann am Montag wegen sexueller Handlungen mit Kindern zu einer Gefängnisstrafe von drei Jahren. Entgegen dem ausdrücklichen Wunsch des Angeklagten wird der Vollzug der Strafe nicht zugunsten einer ambulanten Massnahme aufgeschoben, wie dies 1989 bei der ersten Verurteilung wegen gleicher Delikte noch der Fall gewesen war. Das Richtergremium tat sich allerdings schwer mit der Frage des Aufschubs; eine Mehrheit der Richterinnen und Richter war jedoch der Meinung, die Voraussetzungen dafür seien dieses Mal nicht mehr gegeben: Die Rückfallgefahr des Angeklagten wird vom psychiatrischen Gutachter als hoch eingestuft, und der Mann delinquierte noch während der laufenden Untersuchung weiter, kaum war er ein erstes Mal aus der U-Haft entlassen worden. Auch die Überlegung, wie man weitere potenzielle Opfer am besten schützen könne, habe dazu geführt, dass sich die Mehrheit des Richtergremiums gegen einen Aufschub der Gefängnisstrafe zugunsten einer ambulanten Massnahme ausgesprochen habe, sagte die Gerichtsvorsitzende bei der mündlichen Urteilseröffnung. Eine therapeutische Behandlung soll nun während des Strafvollzuges durchgeführt werden.
Verantwortung der Erwachsenen
Das Bezirksgericht stufte das Verschulden des pädophil veranlagten Mannes als mittelschwer ein. Die Richter anerkannten, dass die Initiative zu den Kontakten zum Teil durchaus auch von den Knaben gekommen ist. Dies ändert allerdings nichts daran, dass der einschlägige Straftatbestand erfüllt wird. Geschütztes Rechtsgut ist die Entwicklung der Unmündigen, deren sexuelle Integrität. Die Verantwortung dafür haben die Erwachsenen zu übernehmen, nicht die unmündigen Opfer, sogar wenn die Initiative von ihnen ausgeht. Der Angeklagte habe die sexuelle Entwicklung von zehn Knaben geschädigt, sagte der Bezirksanwalt vor Gericht, auch wenn sich die Folgen seiner Handlungen erst längerfristig bemerkbar machen sollten.
Freigesprochen wurde der Mann hingegen vom Vorwurf der sexuellen Nötigung. Hier folgte das Gericht der Argumentation des Verteidigers, der betonte, sein Mandant habe in keiner Art und Weise Druck auf die Opfer ausgeübt, es handle sich bei ihm nicht um einen gewalttätigen Sexualtäter. Der Verteidiger hatte eine Gefängnisstrafe von 24 Monaten verlangt, aufgeschoben zugunsten einer ambulanten Massnahme, plus die Anordnung einer Schutzaufsicht. Sein Mandant habe eine Wohnung, eine Stelle als Hausabwart und erst kürzlich ein Studium an der Universität Zürich aufgenommen. Aus diesen Strukturen sei der Mann nicht herauszureissen, sonst würde ihm jegliche Zukunftsperspektive genommen. Der Bezirksanwalt hatte drei Jahre Zuchthaus gefordert, begleitet von einer ambulanten Massnahme während des Strafvollzuges.