
Es ist eine Anklage gegen einen Heilbronner Erzieher, die zentnerschwer wiegt: Wegen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs, Vergewaltigung und Besitzes von Kinderpornografie hat die Staatsaanwaltschaft jetzt Anklage gegen einen 31-jährigen früheren Kindergartenleiter erhoben. Hauptvorwurf ist, dass er sich in 19 Fällen zwischen 2012 und Januar 2018 an einem Jungen sexuell verging und sexuelle Handlungen an sich vornehmen ließ. Zu Beginn der Taten soll der Junge sechs oder sieben Jahre alt gewesen sein.
Drei Taten sind durch Filmaufnahmen belegt, die man beim Tatverdächtigen in seiner Kamera fand. Sie zeigen, dass der Erzieher die Handlungen an dem Jungen vornahm, als dieser schlief. Für die Ankläger sind sie deshalb rechtlich auch als Vergewaltigung zu werten.
Staatsanwalt erwartet mehrjährige Haftstrafe
Eine mehrjährige Haftstrafe erwartet Frank Rebmann in dem Fall. Der Leiter der Heilbronner Staatsanwaltschaft spricht von “sehr gravierenden Delikten”. Für jede Tat mit schwerem sexuellen Missbrauch oder Vergewaltigung sieht das Gesetz zwei Jahre Mindeststrafe vor. Der Beschuldigte habe aber deutlich mehr Taten gestanden, “als wir ihm hätten nachweisen können”. Drei mutmaßliche Taten habe der Junge benannt, dazu kommen die drei Taten, die auf Video vorliegen. Die weiteren 13 Tatnachweise kamen somit über das Geständnis des Erziehers.
Der Fall hat in der Region für Aufsehen gesorgt, nachdem rund 350.000 Bilddateien, davon rund 13.000 Bilder und 900 Videos mit kinder- und jugendpornografischen Inhalten, nach verdeckten Ermittlungen im Mai 2016 beim Erzieher zu Hause gefunden wurden.
Dass der Mann einen Kindergarten leitet, ermittelte die Polizei nicht. Erst 15 Monate später erfuhr die Polizei davon und informierte den Arbeitgeber, die evangelische Gesamtkirchengemeinde Heilbronn. Die wiederum benötigte vier weitere Monate, bis sie den Erzieher im Januar 2018 aus dem Dienst im Kindergarten entfernte. Laut Anklage gingen in dieser ganzen Zeit die Übergriffe gegen den Jungen weiter.
Tatort war die Wohnung des Erziehers
Als der Fall durch die Medien öffentlich wurde, reagierten viele Eltern von Kindergartenkindern entsetzt und besorgt. Ein Vater erstattete Strafanzeige, in der es um Nacktbilder ging. Die Polizei untersuchte die Wohnung des Erziehers erneut und fand neue belastende Bilddateien, die den 31-Jährigen beim Sex mit einem ganz anderen Jungen zeigten.
In einem anderen Kindergarten hatte er diesen Jungen bei der Arbeit kennengelernt, sich dann mit der Familie angefreundet. Bald durfte der Junge bei ihm in seiner Wohnung übernachten. Wie Verteidiger Thomas Amann im April mitteilte, soll dies jeweils der Tatort der Übergriffe gewesen sein. Missbrauchsfälle mit anderen Kindern soll es seinen Angaben nicht gegeben haben.
Auswertung geht weiter
Vom Inhalt der Anklage “nicht überrascht” ist Verteidiger Thomas Amann. Mehr sagte er auf Anfrage nicht. Es sei vereinbart mit den Prozessbeteiligten, bis zum Prozessbeginn keine Erklärungen abzugeben. Vor der Jugendschutzkammer des Heilbronner Landgerichts wird der Fall verhandelt. Ob der Junge als Zeuge aussagen wird, entscheidet das Gericht. Man könnte auch überlegen, es ihm zu ersparen, wenn der Angeklagte bei seinen geständigen Aussagen bleibe, erklärte Oberstaatsanwalt Rebmann. Eine Videovernehmung des Kindes liege vor.
Der gesamte Komplex ist für die Ermittler mit der Anklage noch nicht beendet. Bei den vielen Bilddateien sei man noch mittendrin in der Auswertung, “das ist eine Riesenmasse”, erklärte Rebmann. Wenn sich neue Erkenntnisse über Straftaten ergäben, könne es je nach Zeitpunkt des Fundes eine weitere Anklage geben.
Nach früheren Angaben des Verteidigers will der Erzieher nach einer Haftstrafe nie mehr mit Kindern arbeiten. Er habe begonnen, sein Fehlverhalten aufzuarbeiten, wolle sich zum Schutz für alle neu orientieren. Mit einem mehrjährigen Berufsverbot rechnet der Anwalt für seinen Mandanten aber ohnehin.