KINDESMISSBRAUCHVERHAFTETE TÄTER

Frau wegen Sex mit Teenager verurteilt

Leicht zitternd, mit Tränen in den Augen und einem zerknüllten Taschentuch in der Hand, lässt die Angeklagte das Urteil des Bezirksgerichts Meilen über sich ergehen. Die Richterin spricht sie schuldig und verurteilt sie zu einer unbedingten Gefängnisstrafe von 20 Monaten sowie einer Busse von 500 Franken. Es ist das (vorläufige) Ende eines ungewöhnlichen Prozesses, der in der ganzen Schweiz für Aufsehen und allerlei schlüpfrige Fantasien sorgte.

Denn die heute 37-Jährige Sozialhilfeempfängerin aus dem Bezirk Meilen musste sich wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit einem minderjährigen Teenager verantworten. Das kam so: Im Frühling 2012 lernte die damals 34-Jährige einen 21 Jahre jüngeren Schulfreund ihrer Tochter kennen. Der Junge verbrachte viel Zeit in ihrem Haus, manchmal mit Kollegen, manchmal allein. So freundeten sich die beiden an und landeten schliesslich zusammen im Bett. Wobei sie nach Aussagen der dreifachen Mutter während fast eines halben Jahres bis zu fünf mal täglich miteinander Sex hatten. Die Angeklagte wusste zwar, dass sie eine Beziehung mit einem Kind führte. Doch sie betrachtete das Ganze als normale Liaison, samt Streitereien, Versöhnungen und gemeinsamen Fernsehabenden. So stellte sie den Sachverhalt an der Hauptverhandlung Ende Mai dar (NZZ, 22. 5. 14).

Nach Ansicht der Staatsanwältin dagegen hatte die psychisch labile Frau den Knaben schamlos missbraucht und ihm psychische Schäden bereitet. Der Anwalt des Teenagers sprach gar von einer «abscheulichen Tat» und einem mehrmonatigen «Albtraum». Die Frau habe «massiven Druck» auf den Jungen ausgeübt und ihn erst in Ruhe gelassen, als die Eltern eingeschritten seien. Fest steht, dass die Beziehung in Brüche ging, als die Hausfrau ihrem jungen Liebhaber im Streit eine schallende Ohrfeige verpasste, worauf dieser seinen Eltern alles erzählte.

Der Fall hat in den Medien für verschiedene Artikel mit Titeln wie: «Wenn Frauen Kinder missbrauchen» gesorgt. Das Gericht war aber offensichtlich nicht der Meinung, dass man es mit einem klassischen Missbrauchsfall zu tun habe, in dem sich ein skrupelloser pädophiler Täter an einem wehrlosen Opfer vergeht. So hielt die Richterin in der Urteilseröffnung fest, dass der Schüler «wie ein junger Erwachsener» gewirkt habe. Ausserdem sei er während Monaten immer wieder freiwillig ins Haus der Angeklagten gegangen, um «sogenannt normalen Geschlechtsverkehr» zu vollziehen. Das bedinge eine «gewisse Mitwirkung». Dass die 37-Jährige das Vertrauen des Jungen aus egoistischen Gründen ausgenutzt hatte, war aus Sicht des Gerichts unbestritten. Allerdings hielt ihr die Richterin verschiedene mildernde Umstände zu Gute, darunter eine schwere Kindheit, mangelnde Reife, ein echtes Bedürfnis nach Nähe und eine verminderte Schuldfähigkeit wegen einer Persönlichkeitsstörung (sie leidet unter dem Borderline-Syndrom). Ebenso konnte bei der Frau keine pädophile Neigung festgestellt werden. Das Gericht verordnete ihr jedoch eine Therapie, in der sie nach dem Strafvollzug ihre Empathiefähigkeit verbessern soll.

Daneben verpflichtete es die Angeklagte dazu, ihrem Missbrauchsopfer eine Entschädigung von 10 000 Franken sowie eine Genugtuung von 5000 Franken bezahlen. Strafrechtlich hätte es für die Sozialhilfeempfängerin viel schlimmer kommen können – zumal die Staatsanwältin für die sexuellen Handlungen eine Freiheitsstrafe von 4 Jahren und den Widerruf einer bedingt erlassenen Strafe wegen Sozialhilfemissbrauchs und Drogendelikten aus dem Jahr 2007 gefordert hatte. Das Gericht verlängerte jedoch die Probezeit für die Vorstrafe und verschärfte die Strafe einzig wegen kleinerer Drogendelikte. Ausserdem sprach es die Angeklagte vom Vorwurf der Staatsanwaltschaft frei, Jugendliche bei sexuellen Handlungen gefilmt und mit ihnen Pornos geschaut zu haben.

Doch erledigt ist der Fall noch lange nicht. Denn während sich Verteidiger und Opferanwalt zurückhaltend über das Urteil äusserten – was auf Akzeptanz schliessen lässt – zeigte sich die Staatsanwältin gar nicht zufrieden: «Ich kann dieses Urteil absolut nicht nachvollziehen», sagte sie nach der Verhandlung, und kündigte sogleich an, dass sie es vor Obergericht anfechten werde.

Urteil DG140005 vom 23. 6. 14, nicht rechtskräftig.

Related Articles

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

Back to top button
Close