KINDESMISSBRAUCHVERHAFTETE TÄTER

Gefängnisstrafe für Ustermer Lehrer

Die Anklage gegen den Ustermer Lehrer, der stets seine Unschuld beteuerte, war bereits im Dezember vor Obergericht verhandelt worden. Damals hatte sich der 46-jährige Familienvater noch selbstsicher vor Fernsehkameras und Radiomikrofonen zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen geäussert. Am Mittwoch, als das Gericht zur Urteilsberatung zusammentrat, zog es der Angeklagte vor, von seinem Recht Gebrauch zu machen, dem Termin fernzubleiben.

Lebensnahe Schilderungen

So kam es, dass an seiner Stelle der Verteidiger das Urteil des Obergerichts entgegennahm, das während rund sechs Stunden im Detail beraten wurde. Das Gericht verurteilte den suspendierten Primarlehrer zu einer unbedingten Strafe von 2¼ Jahren Gefängnis. Er wurde der mehrfachen sexuellen Handlungen mit einem Kind, der mehrfachen sexuellen Nötigung sowie der versuchten Vergewaltigung schuldig gesprochen. Die Anklage war noch von einer vollendeten Vergewaltigung ausgegangen. Der Geschädigten wurden eine Genugtuung von 25 000 Franken und ein Schadenersatz von rund 2000 Franken für Heilungskosten zugesprochen. Weitere Forderungen wurden auf den Zivilweg verwiesen.

Mit seinem Entscheid korrigierte das Obergericht das erstinstanzliche Urteil des Bezirksgerichts Usters von 5 Monaten Gefängnis bedingt massiv nach oben. Der Staatsanwalt hatte in der Berufungsverhandlung im Dezember eine Bestrafung mit 4 Jahren Zuchthaus gefordert. Der Verteidiger hatte für einen Freispruch plädiert (NZZ 3. 12. 03). Der Angeklagte hatte lediglich einen Zungenkuss zwischen ihm und der Geschädigten zugegeben. Dabei habe er sich allerdings passiv verhalten. Das Mädchen habe ihm unvermittelt einen Zungenkuss gegeben, den er sofort abgebrochen habe. Danach sei er auf Distanz gegangen. – Die in der Anklageschrift aufgelisteten Übergriffe hingegen reichten von Küssen über das Betasten der Brüste bis zu Vorfällen im Elternschlafzimmer im Reihenhaus in Uster. Die Vorfälle geschahen zwischen 1992 und 1994, als die Geschädigte regelmässig am Wohnort des Beschuldigten ein und aus ging. Sie kümmerte sich als Babysitterin um die Kinder des Lehrers und seiner Frau, übernachtete teilweise bei der Familie und verbrachte mit ihr einmal Ferien im Tessin. Die Oberrichter waren der Meinung, die in der Anklageschrift aufgeführten Tatbestände seien bis auf wenige, marginale Ausnahmen erstellt. Die Aussagen der Geschädigten, auf die sich die Anklage weitgehend stützte, seien glaubhaft. Die mittlerweile 23-jährige Frau habe die Übergriffe authentisch und lebensnah geschildert.

Für die Oberrichter nachvollziehbar hatte die Geschädigte in der Untersuchung zum Beispiel ausgeführt, wie sich der nur noch mit der Unterhose bekleidete Angeklagte auf dem Bett auf sie gelegt und sich hin und her bewegt habe. Sie habe den Mann «wie einen Kartoffelsack» empfunden und das Gefühl gehabt, er zerdrücke ihren Brustkorb. Wenn sie gestöhnt habe, habe er dies als Ausdruck der Lust interpretiert. In der Urteilsberatung wurde ausgeführt, auch mit der blühendsten Phantasie sei eine Horrorgeschichte, wie sie die Geschädigte erlebt habe, nicht zu erfinden. Es liege ein gravierender Fall von sexuellem Missbrauch vor. Der Angeklagte habe sie mit steigender Intensität missbraucht.

Psychischen Druck aufgesetzt

Ausserdem gingen die Richter ausführlich auf die Befindlichkeit der Geschädigten ein. Die junge Frau entwickelte eine Bulimie, Schlafstörungen sowie depressive Störungen mit Suizidgedanken. Gemäss den Ausführungen in der Urteilsberatung sah sie den Angeklagten zunächst als Vaterfigur, verliebte sich dann in ihn und wurde zunehmend von ihm abhängig. Sie habe sich wie eine Marionette gefühlt. Die Jugendliche sei innerlich zerrissen gewesen und habe dem Lehrer gegenüber ambivalente Gefühle gehabt. Einerseits habe sie sich zu ihm hingezogen gefühlt, anderseits habe sie sich geschämt und Hassgefühle entwickelt. Der Angeklagte habe sie unter Druck gesetzt, indem er zum Beispiel gesagt habe, sie dürfe niemandem etwas erzählen, sonst werde seine Familie zerstört. – Der Verteidiger kündigte nach der Urteilseröffnung an, er werde den Entscheid des Obergerichts anfechten.

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