
Hannover
Offenbar gehörte Joachim B.zu den beliebten Lehrern. Auf Fotos der vergangenen Jahre sieht man ihn mal von Schülern umringt als launigen Tanzbären, ein anderes Mal überträgt ihm der Rektor feierlich die Leitung einer Schüler-AG. Die Bilder kursieren noch im Internet. Am Dienstagmorgen löste B.s Auftauchen im voll besetzten Saal des hannoverschen Amtsgerichts dagegen nur noch stummes Kopfschütteln aus. „Ich mag da gar nicht drüber nachdenken“, flüstert eine junge Frau ihrem Nachbarn zu. Einem Vater kommen die Tränen, als er den beleibten Pädagogen im grauen Anzug sieht.
Über Jahre hinweg hat sich der kürzlich pensionierte Grundschullehrer während des Unterrichts an mindestens einer Schülerin vergriffen. Das Schöffengericht hat ihn wegen 72-fachen Kindesmissbrauchs und sexueller Nötigung zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Der 57-Jährige hatte zuvor die bereits 20 Jahre zurückliegenden Übergriffe im Klassenzimmer gestanden. Zwischen 1990 und 1992 hatte er eine siebenjährige Schülerin auf seinem Schoß festgehalten und unter der Kleidung gestreichelt und gekniffen.
Bei dem wöchentlichen Missbrauch, der vor den Augen der Klassenkameraden geschah, spürte das Kind die Erektion des Lehrers. „Hier ist ein absolutes Tabu gebrochen worden“, sagte Staatsanwalt Stefan Dach, der eine zweieinhalbjährige Haftstrafe für den Angeklagten forderte. Das Schöffengericht hielt dem nicht vorbestraften Pädagogen aber zugute, dass er dem Opfer mit seinem Geständnis eine Aussage ersparte und Reue zeige. Bestraft sei er auch durch die soziale Ächtung und den Verlust der Pensionsansprüche, die das Urteil nach sich ziehen, sagte Amtsrichter Olaf Wöltje. Schwer wiege, dass der Lehrer das Vertrauen von Eltern und Schülern im geschützten Raum Schule ausgenutzt habe. Die heute 28-jährige Nebenklägerin verbrachte die Verhandlung, die von zahlreichen Journalisten verfolgt wurde, im Zeugenschutzraum. Sie hatte den Lehrer erst kurz vor Ende der Verjährungsfrist angezeigt. Nach Angaben ihrer Anwältin Doris Kahle war die junge Frau jahrelang in psychologischer Behandlung. „Sie hat noch immer die Bilder aus der Schule, den Ekel und die Hilflosigkeit vor Augen.“ Mit dem Verfahren wolle die 28-Jährige einen Abschluss finden und andere schützen.