Hameln-Pyrmont/Stadthagen
Die Aussage der Frau sei „dünn und detailarm“ gewesen, so der Richter. Eine Bestätigung der Vorwürfe durch andere Beweismittel habe die Kammer nicht finden können. Es habe „Ungereimtheiten“ gegeben, die die Aussage des mutmaßlichen Opfers „als zweifelhaft erscheinen lassen“. Zum Kerngeschehen habe die 29-Jährige widersprüchliche Angaben gemacht. Das lasse das, was sie gesagt habe, „in einem kritischen Licht erscheinen“. Dass es zu den Vorfällen gekommen ist, habe die Kammer nicht feststellen können. „Der Mensch neigt dazu, sich das Besondere und nicht das Nebensächliche zu merken“, stellte der Vorsitzende Richter fest. Könne sich die Frau nicht genau an das Kerngeschehen erinnern, sei das „äußerst problematisch“. Der Grad der Details, die die Frau geschildert habe, sei zu gering, manches nicht stimmig.
Kein Zweifel an den Angaben der Nebenklägerin
Die Jugendkammer unterstelle der Nebenklägerin nicht, absichtlich falsch ausgesagt zu haben, sagte Richter Lücke. Man habe keinen Zweifel daran, dass die Angaben ihrer subjektiven Erinnerung entsprechen. „Möglicherweise hat sich diese Erinnerung verändert. Gut möglich, denn die Taten liegen 19 Jahre zurück. Die Staatsanwaltschaft Hannover hatte den Mann aus einem Dorf bei Hessisch Oldendorfangeklagt, zwischen Januar und April 2000 als Pflegevater sexuelle Handlungen seiner damals zwölfjährigen Pflegetochter vorgenommen zu haben. Dabei soll er das Mädchen im Januar 2000 im Intimbereich mit der Hand berührt und am selben Tag mit dem Mädchen Geschlechtsverkehr gehabt haben. Einige Zeit später soll er seine Pflegetochter zum Oralsex gezwungen haben. An einem anderen Tag soll es nach einer gemeinsamen Dusche ebenfalls zum Geschlechtsverkehr gekommen sein. So lauteten die Vorwürfe.
Die Ehe der Pflegeeltern zerbrach. Frau und Mann trennten sich. Die Zwölfjährige wohnte bei der Pflegemutter, durfte den „Vater“ aber an den Wochenenden besuchen. Darauf habe sie sich immer sehr gefreut, sagte Richter Lücke. Das „sexualisierte Verhalten“ des Kindes sei damals aufgefallen und beim Jugendamt des Kreises Hameln-Pyrmont thematisiert worden. Die Behörde erließ ein Kontaktverbot. Der Mann durfte das Mädchen nicht mehr sehen. Nach Angaben von Nebenklage-Vertreterin Anke Blume schaltete das Jugendamt aber damals nicht die Polizei ein. Im Gespräch mit dieser Zeitung sagt die Anwältin: „Hätte die Mitarbeiterin des Jugendamtes seinerzeit konkret aufgeschrieben, welche Kenntnisse sie erlangt hat, dann hätten wir es heute nicht mit Mutmaßungen zu tun, sondern echte Anhaltspunkte gehabt.“ Die Sachbearbeiterin habe nicht befragt werden können, weil sie mittlerweile verstorben sei. Es könne und dürfe nicht sein, so Anke Blume, dass Jugendämter darüber entscheiden, ob Straftaten verfolgt werden oder nicht. Auch dann nicht, wenn in der Behörde das Kindeswohl im Vordergrund stehe.