KINDESMISSBRAUCH

Kindesmissbrauch in Wohngruppe: Angeklagte Gifhorner schweigen

In einer familienähnlichen Wohngruppe für hilfebedürftige Kinder sollen mehrere Mädchen sexuell missbraucht und gequält worden sein: Der Prozess gegen ein Pädagogenpaar aus Gifhorn wird seit Donnerstag am Landgericht Hildesheim neu aufgerollt. Der 57 Jahre alte Erzieher soll laut Anklage zwischen den Jahren 1998 und 2007 Mädchen sexuell missbraucht und misshandelt haben, seine 60 Jahre alte Ehefrau ist mitangeklagt. (Az.: 14 KLs 6 Js 3779/19)

Ihr wird vorgeworfen, nicht eingeschritten zu sein, als ihr Mann ein Mädchen zwang, über Tage Windeln zu tragen. Auch soll ein Mädchen tagelang in einen Hundekäfig gesperrt worden sein. Der Fall wird neu verhandelt, nachdem ein erstes Verfahren im Herbst ausgesetzt worden war. Ermittler hatten neue Akten eingereicht. Die Eheleute wollten sich zu Prozessbeginn am Donnerstag nicht äußern, sie zeigten kaum eine Regung.

Missbrauch: Ehemalige Bewohnerin verständigte die Polizei

Beide hatten seit 25 Jahren bis zu sieben Kinder und Jugendliche in ihrem Haus betreut – viele blieben einige Jahre. Eine frühere Bewohnerin war im vergangenen Januar zur Polizei gegangen. Die Angeklagte wurde aus der Untersuchungshaft entlassen, ihr Mann sitzt weiter. Bis Ende Mai sind 26 weitere Verhandlungstage geplant.

Dem 57-Jährigen werden sexueller Missbrauch von Kindern in elf Fällen sowie Misshandlung von Schutzbefohlenen in vier Fällen vorgeworfen. Die 60-Jährige ist in fünf Misshandlungsfällen angeklagt, weil sie nicht eingeschritten sein und einmal geholfen haben soll. Dazu kam eine zusätzliche Anklage – demnach werden gegen beide weitere Vorwürfe erhoben.

Sexuelle Übergriffe in der Badewanne, unter der Dusche und im Betreuerschlafzimmer

Staatsanwältin Christina Pannek beschrieb in ihrer Anklage die vorgeworfenen Taten mit teils abscheulichen Details. Sexuelle Übergriffe soll es in der Badewanne, unter der Dusche und im Betreuerschlafzimmer gegeben haben. Die Opfer waren laut Anklage zwischen 6 und 14 Jahre alt. Pannek erklärte, es sei ein „Fall von besonderer Bedeutung“.

Als die Angeklagten in den Saal geführt wurden, verdeckten sie ihre Gesichter mit Mappen. Der Mann mit Vollbart und Glatze versuchte zunächst locker zu wirken und korrigierte die Vorsitzende Richterin Barbara Heidner beim Verlesen seines Familienstandes mit leichtem Lachen. Die Frau mit Pagenkopf und Lesebrille gab sich entschlossen und wollte dem Gericht nicht ihre Anschrift nennen. Diese wurde den Akten entnommen. Das Gericht stieg dann in die Beweisaufnahme ein.

Anwältin: Leiden der Opfer wurden durch Neustart des Verfahrens verlängert

Die Opfer sollen als Zeuginnen gehört werden, sie sind Nebenklägerinnen. Die Anwältin einer der Frauen, Jessica Müller-Horaczek, kritisierte den Neustart des Verfahrens – an der Beweislage habe sich nichts geändert. Auch seien so die Leiden für die Opfer verlängert worden: „Es fällt den Opfern schwer, die Sache abzuschließen, solange der Prozess nicht abgeschlossen ist.“

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe wurde die Gruppe aufgelöst, das Paar wurde freigestellt. Gegen die spätere fristlose Kündigung wehrten sich beide am Arbeitsgericht Hannover. Das entschied, dass zwar nicht die erste, aber eine spätere Kündigung das Arbeitsverhältnis der Frau beendet hatte – dagegen wurde Berufung eingelegt. Die Klage des Mannes wurde abgewiesen. dpa

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