KINDESMISSBRAUCH

Kindesmissbrauch: Zwei Pfadfinderbetreuer in Verdacht

Freiburg (dpa/lsw) – Beide Männer waren ehrenamtliche Betreuer der örtlichen, evangelischen Pfadfindergruppe. Beide sollen Kinder sexuell missbraucht haben. Tatort: Die Kleinstadt Staufen bei Freiburg, durch einen anderen Missbrauchsfall überregional bekannt. Im neuen Fall wissen die Ermittler bislang von fünf Opfern, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft am Dienstag in Freiburg mit. Hauptverdächtiger sei ein heute 41-Jähriger. Er habe sich an vier Jungen vergangen. Der zweite Verdächtige, ein 27-Jähriger, habe ein Mädchen sexuell missbraucht.

Im Zentrum der Ermittlungen stehe der 41-Jährige, sagte der Leiter der Staatsanwaltschaft Freiburg, Dieter Inhofer. Der Deutsche sitze seit Februar in Untersuchungshaft, weil er vier Jungen missbraucht haben soll. Der frühere Mitarbeiter der evangelischen Kirchengemeinde Staufen, der Pfadfinder betreute, soll sich 2009 bis 2018 an den Jungen vergangen haben, diese seien damals 8 bis 14 Jahre alt gewesen.

«Er hat sich die Kinder gezielt ausgesucht», sagte Chefermittler Mathias Kaiser. Er habe sie unter Druck gesetzt und sie jeweils bis zu 400 Mal sexuell missbraucht. «Es kam pro Opfer zu mehreren Übergriffen wöchentlich.» Die Kinder seien bis heute schwer traumatisiert, sie litten unter «enormen, psychischen Belastungen». Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es weitere Opfer gebe. Die Polizei hoffe, dass diese sich meldeten.

Zwei der Jungen habe der Mann in seiner Funktion als ehrenamtlicher Betreuer der Pfadfinder kennengelernt, er habe sie 2009 bis 2013 missbraucht. Die zwei anderen Jungen kannte er den Ermittlern zufolge durch Freizeitaktivitäten, hier soll es von 2014 bis 2018 zum Missbrauch gekommen sein. Zu der Pfadfindergruppe gab es bei diesen Opfern keine Verbindung. Der Mann arbeitet für die Kirche, wie diese bestätigte.

Ins Rollen kamen die Ermittlungen, als im Februar die Mutter eines heute 17-Jährigen zur Polizei kam und Anzeige erstattete. Vier Tage später wurde der 41-Jährige festgenommen. Er schweige zu den Vorwürfen, sagte Staatsanwältin Nikola Novak.

Der Mann aus Staufen ist den Ermittlern kein Unbekannter. 2004 bis 2007 sei gegen ihn wegen des Verdachts des Kindesmissbrauchs ermittelt worden. «Es stand damals Aussage gegen Aussage», sagte Novak. Die Staatsanwaltschaft wollte eine Geldstrafe, das Landgericht Freiburg sprach den Mann frei. Er ist nicht vorbestraft. Ungeachtet des damaligen Verfahrens arbeitete er bis vor mehreren Jahren bei der evangelischen Kirche und betreute bei den Pfadfindern Kinder.

Gegen die Kirche, für die der Mann arbeitete oder das Jugendamt werde nicht ermittelt, sagte der Leiter der Freiburger Kriminalpolizei, Peter Egetemaier. Hinweise auf Fehler gebe es dort nicht. Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh reagierte erschüttert. Er äußerte tiefes Mitgefühl mit den Betroffenen und hofft, dass die Fälle möglichst schnell aufgeklärt werden, wie ein Sprecher in Karlsruhe mitteilte.

Auch der 27-jährige Tatverdächtige sei Betreuer der örtlichen Pfadfindergruppe gewesen. Dem Deutschen werde vorgeworfen, ein Mädchen mehrfach sexuell missbraucht zu haben, als dieses 13 und 14 Jahre alt war. Die Taten liegen den Ermittlern zufolge sechs und sieben Jahre zurück. Der Mann schweige zu dem Vorwurf, einen Haftbefehl gebe es nicht. Bislang habe die Polizei mehr als 100 Kinder und Jugendliche sowie Erwachsene befragt, sagte Kaiser. Es werde weiter ermittelt.

«Wieder trifft es das beschauliche Städtchen Staufen», sagte Kripochef Egetemaier. Einen Zusammenhang zu den Verbrechen an einem heute zehn Jahre alten Jungen, die den knapp 8300 Einwohner zählenden Touristenort überregional in Schlagzeilen brachten, gebe es nicht. Anfang August vergangenen Jahres hatte das Landgericht Freiburg die Mutter dieses Jungen und ihren Lebensgefährten zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, weil sie das Kind Männern zum Vergewaltigen überlassen hatten und sich selbst jahrelang an ihm vergingen.

Verlässliche Zahlen zu sexuellen Übergriffen bei Pfadfindern gebe es nicht, sagte ein Sprecher der katholischen Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg. Diese Organisation habe mit dem Fall in Staufen zwar nichts zu tun, kümmert sich aber den Angaben zufolge um Prävention.

Pfadfinder seien dabei, Prävention auszubauen, sagte Vorstandsmitglied Joschka Hench. So müssten Betreuer Fortbildungen besuchen, zudem gebe es für Opfer Hilfsangebote. Bei Übergriffen würden Täter und Verdächtige registriert. So werde verhindert, dass sie an anderer Stelle im Verband erneut tätig werden könnten.

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