
Kassel. Täter, die sich vor Gericht wegen sexuellen Missbrauchs verantworten müssen, schieben gern den betroffenen Kindern die Schuld in die Schuhe. So auch der 43-Jährige, der jetzt auf der Anklagebank des Landgerichts saß.
Es sei „im Unterbewusstsein“ passiert und das damals siebenjährige Mädchen habe „die Situation ausgenutzt“. Es schien zu Beginn der auf drei Tage angesetzten Verhandlung, als ob nicht nur alle Zeugen, sondern auch das Mädchen, das heute zehn Jahre alt ist, aussagen müssten. Doch der Prozess nahm doch noch einen anderen Verlauf.
Der 34-Jährige erzählte, dass er mit dem Vater und der Mutter des Mädchens befreundet war und öfter in den Wohnungen der getrennt lebenden Partner übernachtet hatte. Einige Male schlief das Mädchen mit im Raum. Und da soll es zwischen 2007 und 2009 laut Anklage zu vier Vorfällen gekommen sein, bei denen der Angeklagte dass Mädchen nicht nur unsittlich berührte oder ihr einen Zungenkuss gab, sondern auch mit dem Finger in sie eindrang. „Ich habe mich breit schlagen lassen“, versuchte der Angeklagte zunächst die Schuld von sich zu weisen. „Ich habe mich dazu hinreißen lassen, ohne selbst etwas davon zu haben.“
„Wie kommt ein Kind in diesem Alter dazu, so etwas zu verlangen?“, fragte Staatsanwältin Amelie Nordmeier energisch. Das Mädchen hatte in seiner Vernehmung bei der Polizei detailliert geschildert, was vorgefallen war und welche Schmerzen sie danach spürte. Der Angeklagte habe ihr den Mund zugehalten und ihr eingeschärft: „Das muss unser Geheimnis bleiben!“
„Es stimmt so, wie es das Kind gesagt hat“, räumte der 43-Jährige dann ein. Er habe sich mehrmals bei der Familie entschuldigt und um Verzeihung gebeten, allerdings seien die ehemaligen Freunde darauf nicht eingegangen. Die Mutter des Mädchens, die als einzige Zeugin aussagte, saß auch mit versteinertem Gesicht da, als der einstige Freund sich erneut „in aller Förmlichkeit“ entschuldigte. Sie sagte, ihre Tochter habe das Erlebnis „gut verarbeitet“ und keinen Schaden erlitten.
Nach dem Geständnis musste das Kind nicht in den Zeugenstand, der Prozess konnte nach wenigen Stunden beendet werden. Die 6. Strafkammer verurteilte den 43-Jährigen zu drei Jahren und neun Monaten. Die Staatsanwaltschaft hatte einen Monat mehr verlangt, die Verteidigung drei Monate weniger. Richter Volker Mütze sagte, er rechne dem Angeklagten hoch an, dass er es dem Kind ersparte, erneut auszusagen. Allerdings sei er „kein unbeschriebenes Blatt“, denn im Vorstrafenregister stehen 15 Verurteilungen, keine ist jedoch einschlägig. „Glücklicherweise“, so der Richter, „ist bei dem Kind kein feststellbarer Schaden entstanden“.