KINDESMISSBRAUCH

Stamp will schärfere Strafen und schnelle Hilfe bei Kindesmissbrauch

3 Minuten Experten fordern Therapie für Opfer : Stamp will schärfere Strafen und schnelle Hilfe bei Kindesmissbrauch Bei schneller therapeutischer Versorgung hätten Kinder gute Chancen, die Missbrauchserfahrungen zu verarbeiten und langfristige Belastungen zu mindern (Symbolbild). Foto: dpa/07an Stratenschulte BERGISCH GLADBACH Seit Monaten kommen in Nordrhein-Westfalen immer neue Fälle von massenhaftem Kindesmissbrauch ans Licht. Die Landesregierung will schärfere Strafen. Unterdessen fordern Experten Therapien für die Opfer. Teilen Tweeten Weiterleiten Drucken Nach der Aufdeckung von immer mehr Fällen des massenhaften Kindesmissbrauchs fordert Nordrhein-Westfalen härtere Strafen auch für die Anstifter der Taten. „Es kann nicht sein, dass jemand, der den sexuellen Missbrauch einer Zehnjährigen bestellt, mit einer Bewährungsstrafe davonkommt“, sagte der stellvertretende Ministerpräsident Joachim Stamp (FDP) am Dienstag in Düsseldorf. Die Landesregierung werde dazu nach der Winterpause einen Gesetzentwurf über den Bundesrat einbringen. „Wir brauchen ein klares sichtbares Zeichen, dass es an der Stelle keine Bewährung gibt“, sagte Stamp. Im Missbrauchsfall Lügde war einer der Angeklagten zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Der Mann hatte an Webcam-Übertragungen vom Missbrauch von Kindern auf dem Campingplatz im Lügde teilgenommen. Das Urteil hatte eine Debatte über das Strafrecht in solchen Fällen ausgelöst. Im Netz werde immer mehr nach „neuen Kicks“ gesucht, sagte Stamp. Es dürfe niemals im Raum stehen, „dass man an dieser Stelle auch nur einen Versuch frei hat“. In NRW waren in den vergangenen Monaten massenhaft Fälle von sexuellem Missbrauch bekannt geworden, zuletzt in Bergisch Gladbach. Dort war ein kriminelles Netz aufgedeckt worden, das weit über die Stadt hinaus Kinder getauscht und missbraucht haben soll. Experten fordern nun die schnelle Vernehmung der Opfer, damit diese möglichst bald therapeutisch versorgt werden können. „Innerhalb von vier Wochen müssen die Vernehmungen abgeschlossen sein“, sagte die Kölner Traumatherapeutin und Leiterin der Beratungsstelle Zartbitter, Ursula Enders, der dpa. Häufig verzögere sich durch die Justiz der Beginn einer Therapie von Missbrauchsopfern, weil deren Aussagen unverfälscht bleiben sollen. „Das ist wie, als wenn man ein Kind mit inneren Blutungen nach dem Unfall auf der Autobahn liegen ließe“, sagte Enders. Die Polizei hat in den vergangenen Tagen insgesamt acht Männer festgenommen, die in den meisten Fällen ihre eigenen Kinder oder Stiefkinder missbraucht haben sollen. Fotos und Videos dieser Taten wurden in Chat-Gruppen mit Tausenden Mitgliedern geteilt. Das führe zu einer zusätzlichen Belastung, sagt Enders, die die Landesregierung bereits im Missbrauchsfall Lügde beraten hat. „Wenn Kinder wissen, dass ihre Fotos im Netz waren, können sie das Gefühl haben, dass der Missbrauch niemals endet.“ Die zuständige Kölner Staatsanwaltschaft konnte zunächst nicht sagen, wie schnell die Vernehmungen erfolgen könnten. „Natürlich ist es sinnvoll, das zeitnah zu machen“, sagte Staatsanwalt Ulrich Bremer. Es seien bereits einige der geschädigten Kinder vernommen worden. Bei schneller therapeutischer Versorgung hätten Kinder gute Chancen, die Missbrauchserfahrungen zu verarbeiten und langfristige Belastungen zu mindern, sagte Enders. Insbesondere bei Kindern, die wie in den aktuellen Fällen von eigenen Eltern missbraucht worden seien, sei professionelle Hilfe besonders schnell notwendig, da die Ressourcen dieser Kinder im persönlichen Umfeld viel geringer seien. Wie diese Hilfe konkret aussehen sollte, sei von Fall zu Fall unterschiedlich. Bei manchen müsse die ganze Familie Therapiesitzungen bekommen, andere müssten schnellstmöglich in eine andere Wohnung umziehen. „Man kann einem Kind nicht zumuten, in dem Bett zu schlafen, in dem es vergewaltigt worden ist“, sagte Enders. Jugendämter müssten vom Land mit entsprechenden Trauma-Experten ausgestattet werden, die in Gesprächen ermitteln sollten, welche Art der Hilfe ein Missbrauchsopfer benötigt. Bleibt die notwendige Versorgung aus, kann ein Missbrauch im frühen Kindesalter Experten zufolge das ganze Leben beeinflussen. Depressionen und Essstörungen drohen, im schlimmsten Fall können Opfer selbst zu Tätern werden. Dieses Risiko sei bei Missbrauchsfällen jedoch nur minimal höher als bei anderen Gewaltverbrechen, betonte Enders. (dpa)

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