Von einem wahrlich exemplarischen Fall, der alle Voraussetzungen für die Verwahrung erfülle, sprach einer der Richter. Die Vorsitzende ergänzte, dem Gericht bleibe keine andere Möglichkeit, als den Angeklagten wegzusperren und so die Öffentlichkeit und insbesondere die Kinder vor ihm zu schützen. Zu viele Chancen habe er nicht genutzt, wandte sie sich an den 48-jährigen Schweizer, der am Donnerstag am Obergericht wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern, mehrfacher Schändung und weiterer einschlägiger Delikte schuldig gesprochen worden ist. Zwar wurde das Urteil des Bezirksgerichts Zürich (NZZ 15. 11. 05) von 10 auf 7 Jahre Freiheitsstrafe reduziert. Wegen der ausgesprochenen Verwahrung ist dies aber nur theoretischer Natur. Er müsse damit rechnen, bis ans Lebensende hinter Gitter zu bleiben, gab die Gerichtsvorsitzende dem Angeklagten mit auf den Weg zurück in die Strafanstalt Pöschwies.
Ferienkinder vermitteln lassen
Im März 2001 war der pädophil Veranlagte aus der Haft entlassen worden. Er hatte damals eine 5-jährige Freiheitsstrafe verbüsst, weil er als Babysitter einen 8-jährigen Knaben sexuell misshandelt hatte. Das spätere Opfer war ihm von einer Nachbarschaftshilfe in Zürich Altstetten vermittelt worden. Kaum aus dem Gefängnis, nutzte er erneut eine gemeinnützige Organisation, um Kinder kennenzulernen. Er liess sich einen Knaben aus Deutschland vermitteln, der bei ihm die Ferien verbrachte. Zudem bot sich der Angeklagte in Inseraten als Ersatz-Götti an, bei dem die Kinder übernachten durften.
Die massivsten Missbräuche musste das 9-jährige Ferienkind aus dem Osten Deutschlands über sich ergehen lassen. In der Wohnung des Angeklagten – zuerst in Rümlang, später in Zürich Schwamendingen – kam es immer wieder zu sexuellen Handlungen. Einmal nahm der Angeklagte die Übergriffe mit einer fix installierten Videokamera auf. Im beschlagnahmten Film sind gemäss Anklageschrift auch die «durchdringenden Schmerzensschreie» des Knaben festgehalten.
An der gestrigen Verhandlung sagte der Angeklagte, das inzwischen 14-jährige Opfer telefoniere ihm hin und wieder in die Strafanstalt. Er habe den Knaben noch immer gern, und auch dieser beteuere jedes Mal, er habe Heimweh nach ihm. Die kaum nachvollziehbare Geschichte zieht noch weitere Kreise. Die Mutter des missbrauchten Knaben heiratete im Dezember 2003 den Angeklagten. Die Ehe hat bis heute Bestand. Die Deutsche reist regelmässig in die Schweiz und besucht dann während einer Woche ihren Ehemann täglich im Gefängnis. Dazu gehört jeweils auch ein mehrstündiger Aufenthalt im sogenannten «Familienzimmer». Währendem lebt das Opfer, das inzwischen vom Angeklagten adoptiert wurde und dessen Namen trägt, in einem Jugendheim.
Als Heimkind selber missbraucht worden
Der Verteidiger machte in seinem Plädoyer geltend, eine Verwahrung dürfe nur als «ultima ratio» ausgesprochen werden, wenn also alle anderen Mittel versagt hätten. Insbesondere habe sein Mandant das Anrecht auf eine intensive Therapie. Diese Möglichkeit sei ihm bis anhin verwehrt worden. Doch das Gericht wies darauf hin, dass mehrere Gutachter zur Erkenntnis gelangt seien, der Angeklagte sei einer Therapie nicht zugänglich. Beim letzten Urteil hätten sich die Richter über diese Empfehlung hinweggesetzt und eine ambulante Therapie angeordnet. Doch noch während der Massnahme und trotz der Auflage, keinen Kontakt zu alleinerziehenden Müttern aufzunehmen, setzte sich der Angeklagte mehrfach über diese Weisungen hinweg.
Vielleicht habe er die ihm zur Genüge gebotenen Chancen ja einfach nicht nutzen können, räumte die Gerichtspräsidentin ein. Denn als Kind war der Angeklagte selber Opfer von massiver sexueller Gewalt geworden: In einem Kinderheim hatte ihn der Heimleiter massiv missbraucht. Dieser Heimleiter, ein bekennender Pädophiler, wurde später verwahrt. Rund 30 Jahre später sind sich die beiden wiederbegegnet – als Insassen in der Strafanstalt Pöschwies.
Wut und Hass habe er als Kind empfunden, als er vom Heimleiter missbraucht worden sei, sagte der Angeklagte an der gestrigen Verhandlung. Auf die Frage, wieso er es als Erwachsener nicht besser gemacht habe, wusste er keine Antwort.